Stefan Querl, der neue Chef der NS-Erinnerungsstätte Villa ten Hompel

Stefan ist seit zehn Jahren auch Tourenleiter des ADFC. Er beschreibt, wie die Geschichtsradtouren Gestalt annahmen. "Dem ADFC Vorstand und den beiden Vätern dieses Angebots können wir gar nicht genug danken!“

ADFC Tourenleiter Stefan Querl
ADFC Tourenleiter Stefan Querl © Foto Constanze Wolff.

Jahr für Jahr bietest Du Touren mit Stationen zur Zeitgeschichte im Stadtgebiet an und hast vor zehn Jahren die verbandsinterne Ausbildung zum Tourenleiter absolviert. Wie kam es eigentlich zu dieser festen Kooperation vom ADFC, der Villa ten Hompel und ihren Partnern?

Hohe Anerkennung hat sich dabei vor allem Horst Wiechers erworben; er ist mit seinen Mitstreiterinnen und Mitstreitern in der überparteilichen Vereinigung namens „Gegen Vergessen - Für Demokratie“ der eigentliche Architekt dieser tollen Zusammenarbeit. Die Regionalarbeitsgruppe trifft sich in der Villa ten Hompel. Er war bis zu seiner Pensionierung im Jahre 2009 Studiendirektor am Immanuel-Kant-Gymnasium in Hiltrup und Moderator für das Fach Geschichte bei der Bezirksregierung. Horst plante Lehrpfade und innovative Angebote per pedes und für uns, die neugierigen „Pedalriterinnen und -ritter“ im ADFC, die zum Beispiel nach Zeitgeschichte und Zivilcourage, nach der Kunst im Zwinger und dem Zustand des Lazarettbunkers fragten oder spontan den Keller der Villa ten Hompel nach einer „Pinkelpause“ in Augenschein nehmen wollten. Er bat mich, das Angebot innerhalb des ADFC und für den Geschichtsort wissenschaftlich und praktisch weiterzuentwickeln. Als ihm 2015 das Bundesverdienstkreuz verliehen wurde, waren die Radtouren ein ganz besonderer Aspekt der Würdigung.

„Gegen Vergessen - Für Demokratie“

Ähnlich übrigens auch bei Peter Schilling, dem Vorsitzenden des Vereins „Spuren Finden“ im Münsterland, der speziell zur Geschichte der Stolpersteine und der Biographien, die sie abbilden, spannende Formate per Fahrrad und zu Fuß in die Tat umsetzte. Auch er wurde für seinen Einsatz mit dem Verdienstkreuz ausgezeichnet. Wahrlich verdient.

Geschichte der Stolpersteine

Peter Wolter unterstützte beide und alle ADFC-Vorstände waren ihnen gegenüber hilfsbereit und stets offen, die besonderen Touren ins Programm zu nehmen. Das ist längst nicht selbstverständlich. Wir können dem Vorstand und den beiden Vätern dieses Angebots deshalb gar nicht genug danken, zumal es sogar in der Pandemie gemeinsam gelang, digital zu radeln: mit Kameras an den Helmen und Handyaufnahmen von historischen Orten klappte dies sogar.

Was ist denn das Besondere bei den Zeitgeschichtstouren, wenn sie in Präsenz stattfinden?

Dass Zeitgeschichte eben Geschichte ist, „die noch qualmt“, die oft Streit verursacht, Hintergrundinformationen erfordert und mitunter richtig unter Dampf steht. Der frühere Bundespräsident Gustav Heinemann hat sogar mal ausdrücklich betont, dass unsere Gegenwart eigentlich ein regelrechter „Haufen Geschichte unter unseren Füßen“ sei. Unterwegs im Sattel wird genau darüber intensiv diskutiert bei den Feierabend- und Innenstadttouren des ADFC: Heftig zum Beispiel 2012 und in den Jahren davor, als es um die Umbenennung des Hindenburgplatzes in Schlossplatz und den damaligen Bürgerentscheid ging. Ebenso wie jetzt, seit klar ist, dass die Uni den Namen des früheren Kaisers Wilhelm „Zwo“ ablegt im Herbst.

„Haufen Geschichte unter unseren Füßen“

Auch nach den neuen Stelen, die an der Promenade die verschiedenen Denkmalstandorte erläutern und QR-Codes dafür bieten, wird viel gefragt. Bemerkenswert finde ich, dass das Stadtarchiv mit Unterstützung aus Politik, Verwaltung und technischen Dienststellen dieses Vertiefungsangebot neu geschaffen hat, denn viele Mahnmale sind uns fremd von ihrer Symbolik her. Gerade wenn sie vermeintliche Helden früherer Kriege würdigen oder Völkisch-Nationales in sich tragen. Ein anderer besonderer Punkt ist, dass jede Menge Studis und frisch Zugezogene an den Touren teilnehmen, um ihre Stadt und das westfälische Umfeld neu kennen zu lernen. Als Stadt mit allen Ecken und Kanten sozusagen, mit Brüchen und Kontinuitäten.

Was meinst Du damit genau?

Dass zwischen Schwarz und Weiß Grau liegt, und genau diese quasi geschichtlichen Grauzonen Münsters machen es so spannend. Frühere NS-Gauhaupt- und heutige Friedensstadt zum Beispiel, aber ich greife bewusst mal einen ganz anderen Aspekt heraus, der vielleicht weniger bekannt ist als etwa eine Berühmtheit wie Clemens August Graf von Galen, der Bischof und sogenannte Löwe von Münster, der für seinen Mut, in Predigten gegen den Kranken- und Behindertenmord des NS-Regimes zu protestieren, nach dem Zweiten Weltkrieg in den Kardinalsstand erhoben worden war und plötzlich 1946 verstarb. Wir haben in Münster eines der ältesten noch im Betrieb befindlichen Gefängnisse Deutschlands: Die JVA an der Gartenstraße, deren Tage in der Nutzung allerdings inzwischen gezählt sind, bis der Neubau mit 640 Haftplätzen fertig wird. Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter wurden an der Gartenstraße während der Diktatur kurz vor Kriegsende ohne Rechtsgrundlage hingerichtet. Die Gestapo pferchte Menschen in einem der Flügel brutal zusammen und nach 1945 saßen auch NS-Täter dort in Haft. Von verurteilten Rechtsextremen ganz zu schweigen. Heute powern die Anstaltsleitung, der Vollzugs- und Werkdienst, die Verwaltung, die Sozialarbeit und Seelsorge alltags gezielt mit der Villa ten Hompel und Partnern für mehr Geschichtsbewusstsein hinter Gittern, um rechtsstaatlichen, menschenwürdigen Vollzug sicherzustellen. Es gab im Frühjahr eine Wanderausstellung zu Anne Frank, durch die Inhaftierte viele Gruppen von „draußen“ führten. Großartig, wie aufrichtiges Engagement Kreise zog und wie ein Ort mit Licht und Schatten sich zeigte! Daher fehlt die Station Gartenstraße in keiner Tour von mir.

Interviewerin: Katja Siepmann

Hinweis:
Die nächste von Stefan "Radtour zu Orten der Zeitgeschichte" findet am 23. August um 15 Uhr von der Villa ten Hompel statt, Kaiser-Wilhelm-Ring 28a, Münster. Mehr unter: adfc-ms.de/touren

 


https://muenster.adfc.de/neuigkeit/stefan-querl-der-neue-chef-der-ns-erinnerungsstaette-villa-ten-hompel

Häufige Fragen von Alltagsfahrer*innen

  • Was macht der ADFC?

    Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club e.V. (ADFC) ist mit bundesweit mehr als 190.000 Mitgliedern, die größte Interessenvertretung der Radfahrerinnen und Radfahrer in Deutschland und weltweit. Politisch engagiert sich der ADFC auf regionaler, nationaler und internationaler Ebene für die konsequente Förderung des Radverkehrs. Er berät in allen Fragen rund ums Fahrrad: Recht, Technik, Tourismus.

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  • Was bringt mir eine ADFC-Mitgliedschaft?

    Radfahren muss sicherer und komfortabler werden. Wir nehmen dafür – auch Dank Ihrer Mitgliedschaft – nicht nur Einfluß auf Bundestagsabgeordnete, sondern setzen uns auf Landes- und Kommunalebene für die Interessen von Radfahrern ein. Für Sie hat die ADFC Mitgliedskarte aber nicht nur den Vorteil, dass wir uns für einen sicheren und komfortablen Radverkehr einsetzen: Sie können egal, wo Sie mit Ihrem Fahrrad unterwegs sind, deutschlandweit auf die AFDC-Pannenhilfe zählen. Außerdem erhalten Sie mit unserem zweimonatlich erscheinenden ADFC-Magazin Information rund um alles, was Sie als Radfahrer politisch, technisch und im Alltag bewegt. Zählen können ADFC-Mitglieder außerdem auf besonders vorteilhafte Sonderkonditionen, die wir mit Mietrad- und Carsharing-Anbietern sowie Versicherern und Ökostrom-Anbietern ausgehandelt haben. Sie sind noch kein Mitglied?

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  • Was muss ich beachten, um mein Fahrrad verkehrssicher zu machen?

    Wie ein Fahrrad verkehrstauglich auszustatten ist, legt die Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO) fest. Vorgesehen sind darin zwei voneinander unabhängige Bremsen, die einen sicheren Halt ermöglichen. Für Aufmerksamkeit sorgen Radler*innen mit einer helltönenden Klingel, während zwei rutschfeste und festverschraubte Pedale nicht nur für den richtigen Antrieb sorgen. Je zwei nach vorn und hinten wirkende, gelbe Rückstrahler an den Pedalen stellen nämlich darüber hinaus sicher, dass Sie auch bei eintretender Dämmerung gut gesehen werden können. Ein rotes Rücklicht erhöht zusätzlich die Sichtbarkeit nach hinten und ein weißer Frontscheinwerfer trägt dazu bei, dass Radfahrende die vor sich liegende Strecke gut erkennen. Reflektoren oder wahlweise Reflektorstreifen an den Speichen sind ebenfalls vorgeschrieben. Hinzu kommen ein weißer Reflektor vorne und ein roter Großrückstrahler hinten, die laut StVZO zwingend vorgeschrieben sind.

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  • Worauf sollte ich als Radfahrer achten?

    Menschen, die Rad fahren oder zu Fuß gehen, gehören zu den ungeschützten Verkehrsteilnehmern. Sie haben keine Knautschzone – deshalb ist es umso wichtiger, sich umsichtig im Straßenverkehr zu verhalten. Dazu gehört es, selbstbewusst als Radfahrender im Straßenverkehr aufzutreten, aber gleichzeitig defensiv zu agieren, stets vorausschauend zu fahren und mit Fehlern von anderen Verkehrsteilnehmern zu rechnen.Passen Sie Ihre Fahrweise der entsprechenden Situation an und verhalten Sie sich vorhersehbar, in dem Sie beispielsweise Ihr Abbiegen durch Handzeichen ankündigen. Halten Sie Abstand von Lkw, Lieferwagen und Kommunalfahrzeugen. Aus bestimmten Winkeln können Fahrer nicht erkennen, ob sich seitlich neben dem Lkw Radfahrende befinden. Das kann bei Abbiegemanövern zu schrecklichen Unfällen führen. Beachten Sie immer die für alle Verkehrsteilnehmer gültigen Regeln – und seien Sie nicht als Geisterfahrer auf Straßen und Radwegen unterwegs.

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  • Was ist der Unterschied zwischen Pedelecs und E-Bikes?

    Das Angebot an Elektrofahrrädern teilt sich in unterschiedliche Kategorien auf: Es gibt Pedelecs, schnelle Pedelecs und E-Bikes. Pedelecs sind Fahrräder, die durch einen Elektromotor bis 25 km/h unterstützt werden, wenn der Fahrer in die Pedale tritt. Bei Geschwindigkeiten über 25 km/h regelt der Motor runter. Das schnelle Pedelec unterstützt Fahrende beim Treten bis zu einer Geschwindigkeit von 45 km/h. Damit gilt das S-Pedelec als Kleinkraftrad und für die Benutzung sind ein Versicherungskennzeichen, eine Betriebserlaubnis und eine Fahrerlaubnis der Klasse AM sowie das Tragen eines Helms vorgeschrieben. Ein E-Bike hingegen ist ein Elektro-Mofa, das Radfahrende bis 25 km/h unterstützt, auch wenn diese nicht in die Pedale treten. Für E-Bikes gibt es keine Helmpflicht, aber Versicherungskennzeichen, Betriebserlaubnis und mindestens ein Mofa-Führerschein sind notwendig. E-Bikes spielen am Markt keine große Rolle. Dennoch wird der Begriff E-Bike oft benutzt, obwohl eigentlich Pedelecs gemeint sind – rein rechtlich gibt es große Unterschiede zwischen Pedelecs und E-Bikes.

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  • Gibt es vom ADFC empfohlene Radtouren für meine Reiseplanung?

    Wir können die Frage eindeutig bejahen, wobei wir Ihnen die Auswahl dennoch nicht leicht machen: Der ADFC-Radurlaubsplaner „Deutschland per Rad entdecken“ stellt Ihnen mehr als 165 ausgewählte Radrouten in Deutschland vor. Zusätzlich vergibt der ADFC Sterne für Radrouten. Ähnlich wie bei Hotels sind bis zu fünf Sterne für eine ausgezeichnete Qualität möglich. Durch die Sterne erkennen Sie auf einen Blick mit welcher Güte Sie bei den ADFC-Qualitätsradrouten rechnen können.

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